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AutorenbildMichael Anker

Erinnere mich - Triptychon

Identität als fotografischer Resonanzboden


Erinnere mich – Triptychon (Gesamtansicht)

Mit dem fotografischen Zyklus „Erinnere mich“ versuche ich meine kulturelle Identität zu erforschen. Dabei geraten zwei Topografien, die abseits medialer Aufmerksamkeit liegen, in meinen Blick: das Oderbruch an der nordöstlichen Grenze Deutschlands zu Polen und die ehemalige deutsche Sprachinsel Hirschenhof im heutigen Lettland. Nach ausgiebigen Recherchen fand ich dort meine emotional berührenden wie dramatischen Familien-Geschichten. Aus ihnen speist sich der gesamte Zyklus und die hier vorgestellte dreiteilige analogen Fotoarbeit.


Der linke Flügel: „Der dunkle Strom“

Ankerpunkt des ersten Teils meines fotografischen Zyklus „Erinnere mich“ ist der Strom, der heute die Grenzlinie zwischen Deutschland und Polen bildet.

An der Oder durchlebte meine väterliche Familie die, durch den Preußenkönig Friedrich II. initiierte, zweieinhalb Jahrhunderte andauernde Transformation der einst urtümlichen Fluss- und Bruchlandschaft in einen agrarischen Kulturraum. Doch damit nicht genug, tobte dort an den Seelower Höhen 1945 die erbittertste Schlacht des Zweiten Weltkriegs. An seinem Ende traf mein Vater auf die Familie meiner Mutter, die mit einem Treck aus dem Wartheland kommend, das Oderbruch erreichte.


Der Mittelteil: „Die dunkle Stille“

Die Wurzeln meiner mütterlichen Familie lassen sich bis etwa 1766 zurückverfolgen. Damals verließen einige Familienmitglieder die alte Heimat in der Pfalz und wanderten aus. Widrige Zukunftsaussichten, Armut und Hunger, ließen sie dem Werben der deutschstämmigen, russischen Zarin Katharina II. folgen. Diese gab um 1766 etwa 116 deutschen Siedlerfamilien auf dem zaristischen Krongut Hirschenhof im damaligen Livland die Chance für einen Neuanfang. Mehr als 170 Jahre friedlichen Zusammenlebens von Deutschen und Letten endete 1939 mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Die Kolonie wurde geschlossen und ihre Bewohner, in das von Deutschland annektierte Polen, zwangsumgesiedelt. „Unter großen Verlustschmerzen verließen die Hirschenhofer ihre Heimat - hatten sie doch inzwischen eine eigenständige Identität entwickelt. Als wir mit der ‚Steuben‘ den Hafen von Riga verließen, sangen wir die lettische Hymne“, berichtete meine 93-jährige Tante, Waltraut Spengel. Fünf Jahre später, auf der Flucht vor der heranrückenden Roten Armee rettet sie, damals ein zehnjähriges Mädchen, die völlig verzweifelte Familie vor dem kollektiven Freitod. Mit einem Treck erreichten sie am Ende des Krieges das Oderbruch.

 Mit örtlicher Hilfe konnte ich in Hirschenhof/Irši das, seit langer Zeit leerstehende, unbewohnbare, ehemalige Haus meines Ururgroßvaters ausfindig machen


Der rechte Flügel: „Was bleibt“

„Was bleibt“ sind Spuren militärischer Stellungen an den Seelower Höhen – nach 80 Jahren immer noch sichtbar – in die Landschaften eingeschriebene Erinnerungen. All das geschah unweit des Ortes, an dem sich meine beiden Familienzweige verknüpften, unweit des Ortes an dem ich das Licht der Welt erblickte.

Ich habe diesen Teil der Erzählung auf einem mit Fotoemulsion beschichteten japanischen Gampi Papier der Awagami Factory fotografiert. Die sichtbaren Pflanzenstrukturen des Papiers verbinden sich mit den grafischen Strukturen der Landschaft.

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